Standort

Darmstadt, Mahalia-Jackson-Straße 11-15

Das Projekt „PassivhausSozialPlus“

42 geförderte Wohnungen für Bezieher niedriger Einkommen

Das Projekt PassivhausSozialPlus wurde in der Lincoln-Siedlung Darmstadt (einem Konversionsgebiet) realisiert. https://www.lincoln-siedlung.de/

Nach mehrjähriger konzeptioneller Vorbereitung durch faktor10 hatte die Neuen Wohnraumhilfe gGmbH (NWH) im Jahr 2018 ein Grundstück in der ehemaligen Einsteinstraße 26-30, Lincoln-Siedlung mit einem Bestandsgebäude erworben.

Eigentümer und Bauherrschaft des Projektes: Neue Wohnraumhilfe gGmbH, Darmstadt: https://www.passivhaussozialplus.de/

Konzept, Entwurf und Projektsteuerung: faktor10 Institut Darmstadt GmbH

Bauantrag, Ausführungsplanung und Bauleitung: Dörfer Grohnmeier Architekten, Darmstadt

Baubeginn: Juli 2018, Fertigstellung: 23.12.2019

Das Bestandsgebäude Einsteinstraße 26-30 hatte 3 Hauseingänge, die jeweils als Zweispänner über 3 Vollgeschosse organisiert waren. Dadurch befanden sich insgesamt 18 Wohnungen in den Bestandsgebäude. Im Dachgeschoss gab es noch je Eingang eine Gemeinschaftsunterkunft.

Von den drei Hauseingängen wurden zwei Eingänge energetisch mit Passivhauskomponenten modernisiert (Ziel Passivhaus-Standard im Bestand). Das Dachgeschoss wurde durch ein neues Vollgeschoss ersetzt und die Gebäude durch Anbauten auf der Ostseite erweitert, so dass sich insgesamt 22 Wohneinheiten ergaben.

Bei der Modernisierung sollten die Eingriffe in die Wohnungen minimiert werden, um möglichst viel vorhandene Inneneinrichtung (z. B. maßgefertigte Wandschränke in fast allen Räumen) zu bewahren. Im Kellergeschoss eines Anbaus wurde außerdem ein Versammlungsraum geschaffen. Die beiden Häuser sollten den höchsten Förderstandard des KfW Effizienzhauses 55 erreichen.

Der dritte Hauseingang wurde abgebrochen und durch einen barrierefreien, nicht unterkellerten Neubau mit 20 Wohneinheiten ersetzt. Dieses Gebäude beinhaltet neben 14 barrierefreien Wohnung auch noch 6 Rollstuhlwohnungen. Es wurde als Passivhaus geplant und erreichte den höchsten Förderstandard der KfW, das Effizienzhaus 40 Plus.

Wärmeversorgung

Bezüglich der Wärmeversorgung der Gebäude wurden unterschiedliche Varianten (Fernwärme, Fernwärme mit Solarthermie, Holz-Pellet-Kessel, 2 BHKW-Varianten) bezüglich ihrer Betriebskosten und weiterer Kriterien (lokale Emissionen, Erfahrung mit der Technik) verglichen. Als Ergebnis wurde für die Wärmeversorgung die Nutzung des in der Lincoln-Siedlung vorhandenen Nahwärmenetzes entschieden. Mit dem vom Versorger garantierten Primärenergiefaktor von fp = 0,5 kWhPE/kWhEnd werden zusammen mit dem Passivhaus-Standard die Anforderungen an die angestrebten Förderstandards auch ohne zusätzliche solarthermische Anlage erreicht. Da gleichzeitig beim EH 40 Plus die verfügbaren Dachflächen für PV-Anlagen genutzt werden, hätte nur eine Teilfläche auf dem Bestandgebäude für eine solarthermische Nutzung zur Verfügung gestanden. Dadurch könnten nur geringe solare Deckungsanteile für die Gesamtanlage erreicht werden, was zu geringen Nebenkosteneinsparungen führt, so dass auf eine solarthermische Anlage verzichtet wurde.

Zur Reduktion der Leistungsspitzen wurden zwei Pufferspeicher vorgesehen, wodurch die Kosten für die bestellte Fernwärmeleistung verringert werden konnte.

Lüftung Wohnungen

Jede Wohnung ist mit einer eigenen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Die Anlagen wurden in der Küche der jeweiligen Wohnung montiert. Die Zuluftverteilung erfolgte im Bereich einer abgehängten Decke im Flur, Frisch- und Fortluft werden über kurze Kanäle zur Außenwand und nach außen geführt. Die Mieter können die gewünschte Lüftungsstufe über einen einfachen 3-Stufen-Schalter in ihrer Wohnung selbst einstellen.

Beheizung

In den Bestandswohnungen wurden die vorhandenen Heizkörper weiterverwendet. Da diese ausreichend Leistungsreserve besaßen, konnte hier die Vorlauftemperatur vermindert werden, so dass die Heizleistung auch im Fall von im Winter dauerhaft geöffneten Fenstern reduziert ist und übermäßige Verschwendung begrenzt wird. Im Neubau werden die Wohnungen hauptsächlich über die Zuluft beheizt, lediglich in den Bädern gibt es zusätzliche Heizkörper. Dieses Luftheizungskonzept erhöht die nutzbare Fläche der Wohnungen, da kaum Heizkörper vor Wänden oder Fenstern vorhanden sind.

Warmwasserbereitung

Jede Wohnung ist mit einer Frischwasserstation ausgestattet, über die das benötigte Warmwasser vor Ort erwärmt wird, so dass die 3-Liter-Schwelle der Trinkwasserverordnung nicht überschritten wird. Dadurch reicht es aus, wenn das Trinkwarmwasser nur auf Nutztemperatur von ca. 45 °C erwärmt wird (keine darüber hinaus gehende Hygienisierung erforderlich) und es wird auch keine Zirkulationsleitungen innerhalb der Wohnung erforderlich. Die Wasser- und Sanitärinstallationen wurden im Bestandsgebäude komplett erneuert.

Lüftung Verkehrs- und sonstige Flächen

Im Bestand wurden die Keller vom Treppenhaus abgetrennt und die Kellerräume mit einer Abluftanlage entlüftet. Die bestehenden Kellerfenster wurden außer den brandschutztechnisch erforderlichen Fenstern zugemauert. In den Trockenräumen wird Luft abgesaugt, über Zuluftöffnungen, die nicht von den Mietern zugestellt oder verstellt werden können, strömt Außenluft im Keller nach. Der Gemeinschaftsraum im Keller wird hat eine eigene Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung erhalten.

Darüber hinaus wurden die Treppenhäuser mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Im Neubau musste aufgrund der Anforderungen an ein EH 40 Plus (Rückwärmezahl von mindestens 80 % über die gesamte Gebäudefläche) eine Anlage mit einer hohen Rückwärmezahl eingesetzt werden. Aber auch im Bestand wurde eine solche Anlage im Treppenhaus im obersten Stock unter der Decke montiert. Die Zuluft- und Abluftkanäle wurden zwischen den vorhandenen Treppenpodesten (Zwischenpodeste mit Geländer) und Außenwand nach unten geführt.

Regenwasser und Grauwasser

Das Niederschlagswasser wird auf dem Grundstück vor Ort versickert. Die Dachentwässerung wird in einer großen Regenwasserzisterne außerhalb des Gebäudes gesammelt und für die Gartenbewässerung genutzt, Überschüsse werden in eine Rigole geleitet und dort versickert.

Das Wasser aus Waschbecken, Duschen und Badewannen wird getrennt gesammelt und in einer Grauwasseraufbereitungsanlage soweit aufbereitet, dass es als Betriebswasser für die Toilettenspülung in den Wohnungen genutzt werden kann. Reicht die aufbereitete Grauwassermenge nicht aus, wird Trinkwasser in den Betriebswassertank nachgespeist. Für die Einleitung des Grauwassers in die Grauwasseranlage im Keller ist eine Hebeanlage erforderlich. Neben dem Abgang zur Toilettenspülung ist außerdem ein Notüberlauf und eine Schlammabfuhr vorhanden.

 

Stromerzeugung

Die Gebäude sind mit großen PV-Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie für die Mieter ausgestattet. Die Gesamtgröße beträgt ca. 84 kWp. Die Module sind mit 15° Neigung nach West bzw. Ost orientiert.

Elektrotechnik

Das Bestandsgebäude besaß nur einen elektrischen Hausanschluss. Dies sollte beibehalten werden, auch wenn der Hausanschluss erneuert werden musste. Zwischen den Gebäuden wurde eine gemeinsame Kundenanlage mit einem Summenzähler am Netzverknüpfungspunkt aufgebaut. Dies war die Voraussetzung, damit Mieterstrom umgesetzt werden kann.

Batteriespeicher

Für das EH 40 Plus war ein elektrischer Energiespeicher von mind. 40 kWh nutzbarer Speicherkapazität erforderlich. Um eine gute Auslastung des Speichers bei gegebener PV-Anlage zu erreichen, sollte der Speicher eine Kapazität von ca. 50 kWh erreichen. Er wurde im Keller des Bestandsgebäudes montiert, elektrotechnisch musste aber sichergestellt sein, dass vorrangig die PV-Erzeugung aus dem Neubau EH 40 Plus gespeichert wird, und auch vorrangig der Verbrauch des Neubaus gedeckt wird. Für die PV-Anlage des Bestandsgebäudes wurde ein weiterer Elektrospeicher eingebaut.

Die erzeugten und verbrauchten Energiemengen werden den Mietern und Mieterinnen in ihrer Wohnung auf einem Monitor angezeigt.

Die Wohnungen wurden komplett mit einer ausreichenden und stromsparenden LED-Beleuchtung ausgestattet. Weitere eigene Beleuchtungsmittel der Mieter und Mieterinnen können aber natürlich auch noch montiert werden.

Zukauf von Strom und Wasser

Die Bewohner und Bewohnerinnen bezahlen neben der Kaltmiete, die mit 6,44 Euro/qm/Monat für die Erstvermietung festgesetzt war, eine feste Nebenkostenpauschale, die sämtliche Betriebskosten, die Heizkosten und den Haushaltsstrom umfasst. Es erfolgt keine Nebenkostenabrechnung und damit drohen den Mietern und Mieterinnen auch keine Nachzahlungen.

Für Haushaltsstrom und Trinkwasservolumen (unabhängig ob kalt oder warm) ist in den Nebenkosten ein Budget enthalten, das typische / mittlere Verbräuche abdeckt. Über ein Display in der Wohnung können sich die Mieter und Mieterinnen jederzeit über ihre Verbräuche informieren. Das hinterlegte Programm errechnet ständig die Prognose für noch zur Verfügung stehende Restbudget und stellt das Restbudget dar. Es sind mehrere Informations- oder Warnstufen hinterlegt, mit denen die Bewohner*innen über ein eventuell zu Ende gehendes Budget informiert werden.

Die Bewohner*innen haben dann die Möglichkeit, ihren Verbrauch etwas zu reduzieren, so dass das Budget bis Ende des Jahres ausreicht.

Wenn sie dies nicht wollen, können sie ihr Strom- oder Wasserbudget aufstocken, in dem sie eine weiterte Mengen zu kaufen.

Sollten es einmal vorkommen, dass ein Mieter/eine Mieterin überhaupt nicht auf den Strom- und Wasserverbrauch achtet, die Budgets überschritten werden und kein Zukauf von weiteren Mengen erfolgt, kann die Versorgung mit Strom und Wasser bis auf lebensnotwendige Bereiche unterbrochen werden. Diese sind bei Strom eine Grundbeleuchtung, der Kühlschrank und eine Steckdose für medizinisch wichtige Geräte. Bei Wasser würde nach Abschaltung ein kleiner Volumenstrom Trinkwasser in der Küche noch funktionieren.

Budgetrückmeldung und -aufladung

Wichtig für die Transparenz des Budgets ist eine Rückmeldung des aktuellen Standes (bisheriger Verbrauch, Jahresbudget in kWh und Euro auf Monat heruntergebrochen), Prognosen, wie lang das Budget noch ausreicht, erwarteter Zukauf, ggf. wenige weitere Informationen. Dazu muss das Display an einer gut sichtbaren Stelle in jeder Wohnung angeordnet werden. Sinnvoll kann eine Bestätigung der Kenntnisnahme des Restbudgets per Tastendruck sein oder eine akustische Warnung, dass das Budget bald aufgebraucht ist.

Wissenschaftliches Monitoring

Das Projekt wurde über mehrere Jahre vom IWU (Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt) wissenschaftlich begleitet.

Das wissenschaftliche Monitoring umfasste alle Energieströme bei der Wärme- und Stromerzeugung, die Verbräuche in allen Wohnungen, Wetterbedingungen sowie Komfort- und Nutzung in allen Wohnungen (Temperatur, Raumluftfeuchte, Einstellung der Lüftungsanlage). Darüber hinaus wurden 20 Wohnungen detailliert vermessen (raumweise Temperaturen, Feuchte, Fensteröffnung gekippt oder ganz geöffnet, Kohlendioxidgehalt, Anwesenheit). Außerdem wurden hier auch die Stromverbräuche in der Wohnung nach Küche und Beleuchtung unterschieden und Wärmeverbrauch zwischen Heizung und Warmwasser differenziert. Zur Vereinfachung der Montage (besonders im Bestand) wurden teilweise Funksensoren eingesetzt.